Tuesday, May 23, 2006

Die letzten Tage in Kansas

Die letzten drei Tage hielten wieder einige Überraschungen für uns bereit. Das gilt zwar nicht fürs Wetter, denn die paar Slight Risks, die sich für den Samstag und den heutigen Montag abzeichneten, ergaben nichts weiter als ein paar dichtere Wolken (cu und tcu unter dem Deckel). Die Scherung war meist eher schlecht als recht und nahe am Keil tat sich eh´ kaum etwas an Hebung. Das es also kaum nennenswerte Stürme gab, über die wir berichten könnten, erzählen wir ein paar andere, nette Geschichten, die sich in den letzten 72 Stunden zugetragen haben.

Den Samstag starteten wir in Lenexa und machten uns dann nach einem weiteren typischen Motelfrühstück (einige Bagels, schlechter Kaffee und ein paar Waffeln oder Toasts) auf nach Südwesten über die Interstate 35 nach Südwesten. Ziel war die Grenze zu Oklahoma, dort war an einer quasi-stationären Front das Potential für ein paar isolierte Gewitter gegeben. Wenn der Deckel nicht gehalten hätte, dann wären wir vielleicht auch um ein paar meteorologische Eindrücke reiche gewesen, stattdessen aber tat sich bis in den späten Nachmittag wenig und wir fuhren über die südlich von Wichita leicht welligen Plains nach Osten Richtung Arkansas (sprich Arkänsas) City. Dieses kleine Nest erreichten wir in der flimmernden, schwülen Hitze des Spätnachmittags (es waren so um die 31°C bei 18°C Taupunkt) und wir suchten nach einer Ess- und Trinkgelegenheit. Die fand sich auch nach etwas Sucherei, entlang der Hauptstraße nach Norden machten wir den "Coffee Club" aus, ein kleines Lokal eines Kolumbianers, der sich darauf spezialisiert hat, der Region guten, echten Kaffee sowie leckeren Kuchen zu liefern. An den Wochenenden findet ab und an auch Karaoke statt, wie wir an den Aufbauten neben den Tischen und den sich nach 17 Uhr langsam einfindenden (älteren) Gästen feststellen konnten. Es war richig nett dort, zumal der Besitzer des Coffee Clubs eine Bekannte aus Deutschland hatte, die er prompt mal anrief um ihm davon zu erzählen, dass sich eine Gruppe deutscher Stormchaser in dem verschlafenen Nest östlich der I-35 eingefunden hätten.
Keine zehn Minuten später war das Pärchen da und wir verbrachten zwei angenehme Stunden mit den beiden im Lokal. Es gab einiges zu erzählen, sie kommt aus dem Hunsrück, er ist Deutschamerikaner und seit vier Jahren leben beide in Arkansas City.

Dies war eigentlich nur eine von mehreren interessanten Begegnungen, die wir in den letzten knapp drei Wochen hier in den Great Plains machen konnten. Man kommt sehr schnell mit den Menschen ins Gespräch und viele scheinen einfach mehr Zeit zu haben als man es aus unseren Gefilden gewohnt ist. Auch die Freundlichkeit vieler Leute hier ist doch etwas ungewohnt, aber "bei uns" könnte man sich durchaus ein paar Scheiben davon abschneiden.

Der Abend bescherte uns...nein, wieder keine Stürme, dafür aber einen prachtvollen Sonnenuntergang bei lebhaftem, schwülwarmem Ostwind und ein paar entfernten CB-Ambossen im Westen (siehe Bilder). Nach einer Nacht im neuen und toll hergerichteten "Comfort Inn" (inklusive Pool) in Blackwell, Oklahoma ging es in einen weiteren Tag voller Schwüle mit einem Vormittagshimmel voller Altocumulus. Wieder einmal kamen wir an der Rezeption aufgrund der Tatsache, dass wir eigentlich Stormchaser sind, ins Gespräch und es dauerte nicht lange, bis die Motelpächterin ihren Schwiegersohn aus Blackwell anrief, der gerade zufällig Zeit hatte und uns nur zu gerne ein par Viertel im Ort zeigte, durch die 1955 ein schwerer Tornado zog, dessen Spuren man bis heute sehen kann...

Nachmittags fuhren wir über Wichita nach Osten in Richtung Fredonia (oh ja, mitunter sind das recht exotische Ortsnamen hier), wo wir wieder mal auf Initiierung warteten (bei drückenden 27 über 21!) und vielen tiefen Wolken. An einer Tankstelle mit einem monströsen Parkplatz trafen wir auf einen anderen Stormchaser aus Wichita, Kansas. Jay (oder Jack?) wartete ebenso wie wir auf "Action" und wir plauderten ein wenig über Superzellen, das Potential an diesem Tag und über den wirklich schlechten Mai und auch über die guten Wetterlagen im März und im April, bei denen es schon ein paar Dutzend Tornados in den Plains und im mittleren Westen gegeben hatte. Seinen SUV hatte Jay vollgepackt mit Equipment, vom Laptop (Datenempfang über Wifi und Satellit) über Scanner und CB-Funk bis hin zu ausreichend professionellen Kameras war fast alles dabei. Etwa gegen 17h30 beschlossen wir die Weiterfahrt nach Norden, es sollte in Südostkansas nichts mehr passieren, erst weiter östlich in Missouri. Die Nacht von gestern auf heute wollten wir dann eigentlich in Ottawa, KS vebringen. Ausgesucht hatten wir uns dafür das Travelodge nahe der Interstate. Das Problem: der Geruch des Zimmers (es roch irgendwie nach Orange, wir konnten es aber nicht so recht einordnen und vermuteten eine vorherige Behandlung mit irgend einem Insektizid) und der Zustand der Betten sowie der Handtücher. Nach etwa einer Stunde Aufenthalt entschieden wir uns für ein sehr schnelles, verfrühtes Check-Out und fuhren weiter nach Emporia, KS, in ein deutlich angenehmeres Comfort Inn.

Heute dann, der letzte Tag vor unserer Heimreise, ein Tag mit Ostwind, 28°C und einem Taupunkt von gut 19°C. Man gewöhnt sich an diese Luft, es ist fast schon angenehm und die Feuchte tut der Haut sowieso gut). Das Slight Risk und die paar Gewitter im Süden und Südosten von Kansas haben wir uns gar nicht richtig angesehen, es ist einfach noch immer nicht DIE Lage für wirklich heftiges Wetter in den Plains. Ein bisschen Frust macht sich da beim Bilanzieren schon breit, wenn man bedenkt, dass man eigentlich vor allem fürs "Wild weather" hergekommen ist und man dann nur an drei Tagen von 19 etwas sieht. Dieser Mai war extrem ungewöhnlich, viel zu ruhig für die Plains und sowieso hats mit dem großskaligen Strömungsmuster diesmal gar nicht hingehauen. Morgen und Mittwoch nun steigt die Gefahr für Superzellen und Tornados zwischen South Dakota und Nordkansas an...und wir fliegen morgen heim. Wenn das mal nicht tragisch ist! Aber was solls, wir werden nächstes Jahr, wenn nicht im darauf folgenden Jahr wiederkommen und wieder die Plains genießen, die Landschaft, die Leute und die Weite...dann auch mit Stürmen

Kerstin, Julian und Lars

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